Die Garteninfektion

Man sagt, die Leidenschaft für den Garten wird durch einen Virus übertragen, wobei der Virus aus der Gartenerde stammen soll. Ich denke meine Gartenleidenschaft ist aus Interesse an der Pflanzenwelt und einer Sehnsucht nach harmonischen Naturbildern entstanden. In meiner Kindheit, gleich nach dem Ende des furchtbaren Weltkrieges, war der große Garten meines Onkels mit seinen süßen Früchten und bunten Blumen ein paradiesisches Erlebnis für mich, so ganz im Kontrast zum grauen Umfeld, zum Hunger und zum zerstörten Dresden. Die ersten Bücher meines Lebens, in Ermangelung von Kinderbüchern, waren die Lehrbücher der Pflanzen– und Tierkunde meiner Mutter, in denen mir meine Großmutter die Namen der Blumen auf den Farbtafeln beibrachte, bevor ich noch lesen konnte. Damit war wohl der Grundstein für das Blumeninteresse gelegt.
 

Farbtafel aus: Grundzüge der Pflanzenkunde für höhere Lehranstalten, Leipzig 1926

Als Schulkind malte ich am liebsten dschungelartigen Wald mit verschiedensten Grünpflanzen und einigen bunten Blumentupfen, so wie ich mir Wildnis vorstellte. Später dann gestaltete ich in meinem Aquarium eine ähnlich reiche Pflanzenwelt. Die Fische waren eigentlich Nebensache meiner Aquarienleidenschaft. Das Blumeninteresse fand seine Fortsetzung am Ende der Grundschulzeit, im Sammeln, Bestimmen und Herbarisieren aller auffindbaren Wildblumen und Gräser der heimatlichen Umgebung. Etwa 300 Arten kamen zusammen. Dieses Herbarium war 8 Jahre später im ersten Studienjahr sehr nützlich, da jeder Student der Agrarwissenschaften 20 Blütenpflanzen, 10 Süßgräser und 10 Sauergräser, herbarisiert, als Belegarbeit abzugeben hatte. So manches Bier wurde von den Kommilitonen spendiert bis die 300 Herbarblätter verteilt waren.
Während der Studienzeit erhielt ich in den Sommerferien die Einladung eines Verwandten, seinen Hof und Garten zu hüten. Ums Haus und auf der Wiese waren große Staudenbeete in voller Blüte. Wegen der geschützten Lage im Wald standen Rittersporntürme in allen Blautönen so hoch und schön, wie ich sie nie wieder sah. Der Duft der zahlreichen Phloxe stand über der Waldlichtung. Dieser Garten war für mich das Paradies, und von da an mein großer Wunschtraum. Einige Jahre mussten noch vergehen, bis wir im Frühjahr 1975 unser heutiges Grundstück erwerben konnten. Angesichts der 1000 m² Gänsewiese rund ums Haus brach die alte Pflanzenleidenschaft wieder ganz stürmisch hervor und die Erfüllung eines Lebenstraums vom eigenen Gartenparadies konnte beginnen.